Der Stern des Anstosses
Während die Weihnachtssterne langsam verblassen, hält sich ein anderer Stern hartnäckig. Nämlich: Der Gender-Stern, der sich in Berufsbezeichnungen einschleicht, sich zwischen Leser und innen drängt oder einfach nur hinter Frauen* und Männern* steht.
Nicht selten kommen Leute zu mir und fragen, halb verärgert, halb verzweifelt: «Wofür soll der Stern gut sein? Das macht doch alles komplizierter!» Dazu zuerst mal: Jein, komplizierter wird’s nicht unbedingt. Das Wort wird einfach ein klein wenig länger. Aber wenn das Wort sowieso schon lang und kompliziert ist (denken Sie an Flussschifffahrtskapitän*in), muss auch die geübteste Leserin (oder der geübteste Leser) zugeben, dass der Teil vor dem Stern viel komplizierter ist, als der Teil danach – oder?
Es ist doch nichts als korrekt und unserer Gesellschaft angepasst, wenn in Stelleninseraten nicht nur Maler und Sekretärinnen, sondern Maler*innen und Sekretär*innen gesucht werden – oder Bundesrät*innen! «Fair enough», mag der*die Fragestellende nun zu mir sagen, «aber da kann ich doch auch am Anfang des Textes schreiben: Mit der männlichen Form ist die weibliche mitgemeint.» Nun, das mit dem mitgemeint ist eben so eine Sache. Ein kleiner Test: Denken Sie, liebe*r Leser*in, an ihre drei Lieblingsschauspieler. Nicht weiterlesen! Nachdenken…
Na – an wie viele Frauen haben sie gedacht? Ich wette, Ihnen sind, wenn nicht ausschliesslich, dann mehrheitlich Männer in den Sinn gekommen. Unser Hirn mag vieles können, aber mitmeinen ist nicht seine Stärke. Sprache prägt unser Denken also mehr, als wir glauben. «Stärnefüfi, warum reicht dann nicht das Binnen-I?» Das Binnen-I, vorgeschlagen von FeministInnen in den 1980er-Jahren, ist sicher ein guter erster Schritt. Aber der Stern symbolisiert eben auch jene, die zwischen oder ausserhalb der Geschlechter Mann und Frau stehen. Er zeigt, dass Geschlecht vielfältig ist und in viele Richtungen weisen kann. «Das betrifft doch so wenige Menschen!» Mag sein (ich zweifle daran) – und doch: In Deutschland und Österreich gibt es seit Neujahr amtlich ein drittes Geschlecht für alle dazwischen und ausserhalb. Grund genug, meine ich, jene Menschen auch in unserer Sprache sichtbar zu machen, wenn sogar Verfassungsgerichte dafür sind.
Um wieder auf den Anfang zurückzukommen: Es ist eben alles gar nicht so kompliziert. Ein Wort mal mit Stern zu schreiben, tut niemandem weh. Und doch ist die Debatte um den Gender-Stern riesig, manchmal auch sehr gehässig. Weil man Leute einschliessen möchte. Weil alle gemeint sein sollen. Muss uns das nicht zu denken geben? Dass, wenn man nicht nur mitmeint, sondern allemeint, ein Aufschrei umgeht?
Zum Schluss mag man vielleicht fragen: «Und was bedeutet Dir persönlich der Stern, Mona?» – «Ach, weisst Du, ich bin einfach der aufstrebende Stern am Travestie-Himmel…»